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Wie Gesundheitskompetenz Jugendlichen den Berufsstart erleichtern kann

Wien, 23. Juli 2024 – Eine nationale Präventionsstrategie, das Nützen vorhandener Strukturen (Schulärzt:innen, Jugendvertrauensrät:innen) für mehr Gesundheitswissen und mehr finanzielle Mittel für Vereine und Organisationen, die niederschwellig die Gesundheitskompetenz Jugendlicher erhöhen: Mit diesen Maßnahmen soll die nächste Bundesregierung die Gesundheitskompetenz von Jugendlichen stärken.

Hintergrund: Die Jugendarbeitslosigkeit steigt wieder, auch, weil es tausende, vor allem benachteiligte Jugendliche, nicht schaffen, in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Eine Ursache: Mangelnde Gesundheitskompetenz – und das auch bei Basics, wie Ernährung, der Nutzung von Social Media oder Sport. Die Erfahrung zeigt, dass gerade diese Jugendlichen mit vorzeitigen und niederschwelligen Maßnahmen für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden können.

Hier setzt etwa der Verein T.I.W. (Verein für Training, Integration & Weiterbildung) an und bietet kostenlose Angebote für Jugendliche, die den Start ins Berufsleben vereinfachen. Alleine im Vorjahr hat der Verein mehr als 3.000 Jugendliche und junge Erwachsene begleitet und geholfen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Wie Gesundheitskompetenz Jugendlichen den Berufsstart erleichtern kann
v.l.n.r. Andreas Pollak, Dr. Eva Höltl, Dr. Thomas Holzgruber

 

„Gesundheitliche Einschränkungen sowie physische, psychische, kognitive und soziale Beeinträchtigungen erschweren den Einstieg in das Ausbildungs- und Erwerbssystem sowie einen erfolgreichen berufsbezogenen Abschluss und damit die nachhaltige Integration in die Arbeitswelt“, sagt Andras Pollak, Geschäftsführer des Vereins T.I.W. „Je früher Gesundheitskompetenz erlernt wird, desto größer ist die Chance, auch langfristig Erfolge zu erzielen und den Jugendlichen einen positiven Berufsstart zu ermöglichen.“

Jugendarbeitslosigkeit in Österreich nimmt wieder zu
Laut AMS waren im Juni 2024 in Österreich 26.821 Jugendliche arbeitslos. Nach einem Rückgang der Arbeitslosigkeit nach der Corona-Pandemie steigt die Jugendarbeitslosigkeit damit wieder. Besonders betroffen sind junge Menschen, die sozial oder gesundheitlich benachteiligt sind. „Der Zusammenhang zwischen Gesundheitskompetenz und Gesundheit gilt als gesichert. Gesundheitskompetente Menschen treffen gesundheitsförderliche Entscheidungen für ihren Alltag und benötigen weniger Akutbehandlungen. Dem WHO Grundsatz folgend, dass körperliche Gesundheit nur beim Vorhandensein von psychischer Gesundheit lebbar ist, ist es gerade bei Jugendlichen auch entscheidend, Kompetenz im Bereich psychische Gesundheit zu stärken“, sagt Dr. Eva Höltl, Leiterin des Gesundheitszentrums der Erste Bank AG, Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin.

Nachhaltiges Potential für den Arbeitsmarkt
„Oft liegt es nur an Kleinigkeiten, wie Energy Drinks am Abend, zu viel Zeit auf Social Media oder eine ungesunde Ernährung, die zu Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen oder auch schwerwiegenderen gesundheitlichen Problemen führen“, sagt Andreas Pollak. „Jeder Euro der frühzeitig in die Gesundheitskompetenz junger Menschen investiert wird, wird sich auf lange Sicht um ein Vielfaches rechnen.“

Im vergangenen Jahr wurden mehr als 3.000 sozial benachteiligte Jugendliche durch verschiedene Seminare des T.I.W. erfolgreich auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels und der steigenden Arbeitslosenquote bei Jugendlichen fordert der Verein T.I.W. mehr Unterstützung für Gesundheitskompetenzprogramme.

“Im europäischen Vergleich rangiert Österreich bei der Gesundheitsprävention nach wie vor im hinteren Bereich. Daran haben auch die zahlreichen Kampagnen unterschiedlichster Stakeholder in den letzten Jahren wenig geändert. Mit ein Grund dafür ist, dass speziell Jugendliche in Österreich zu wenig und zu ineffizient mit der Bedeutung und Notwendigkeit einer gesunden Lebensführung sowie entsprechender Vorsorgemaßnahmen konfrontiert waren”, sagt Dr. Thomas Holzgruber, Patient:innenombudsmann der Ärztekammer für Wien. “Tatsächlich sollte Gesundheitskompetenz schon sehr früh, am besten im Volksschulalter, stattfinden. Danach sind es die Betriebe, die Jugendliche aufnehmen und ausbilden. Deren Aufgabe ist es, einerseits für die Sicherheit im Betrieb zu sorgen, andererseits aber auch Anreize zu setzen, Jugendliche einer gesunden Lebensführung zuzuführen. Neben einer funktionierenden und engagierten betriebsärztlichen Unterstützung betrifft dies auch Incentives wie beispielsweise Sportprogramme beziehungsweise auch die Möglichkeit, gesunde und nahrhafte Mahlzeiten im Rahmen der beruflichen Tätigkeiten einnehmen zu können.”

Niederschwelliger Zutritt ins Gesundheitssystem
Fakt ist: Die Gesundheitskompetenz der jungen Bevölkerung, vor allem bei sozial benachteiligten Jugendlichen nimmt ab. „Die Gesundheitskompetenz von Jugendlichen beschränkt sich häufig nur auf die Beantragung eines Krankheitsnachweises. Unser Ziel ist es, das zu ändern. Wir bieten daher ein Angebot, das für alle verständlich ist. Besonders wichtig ist uns dabei eine barrierefreie Sprache, die für jeden nachvollziehbar ist“, so Pollak.

Das Gesundheitszentrum zeigt: Frühzeitige und niederschwellige Maßnahmen wirken. Durch ein Angebot, das auf Jugendliche mit Sprachbarrieren, mentalen oder körperlichen Einschränkungen und wenig Erfahrung im Gesundheitssystem angepasst ist, fördert das T.I.W. nicht nur Chancengleichheit, sondern zeigt, wie wichtig alternative Angebote neben dem „normalen“ Gesundheitssystem sind. Alleine im vergangenen Jahr erhielten 3.335 Personen in 349 Seminareinheiten vertiefendes Wissen zur Gesundheitsvorsorge.

“Damit Jugendliche Gesundheitsservices annehmen, ist es jedenfalls entscheidend, die Angebote niederschwellig zu gestalten und auch entsprechend „jugendlich“ zu kommunizieren. Das betrifft betrieblich organisierte Maßnahmen genauso wie den extramuralen Bereich. Nur wer einen leichten und raschen Zugang zu Gesundheitsservices hat, wird diese in jungen Jahren auch nutzen – und im besten Fall im Freundeskreis weitererzählen”, betont Dr. Thomas Holzgruber.

So helfen Initiativen wie der Verein T.I.W.

  • Kostenlose Gesundheitschecks, Untersuchungen und Beratung durch Allgemeinmediziner:innen
  • Ein niederschwelliges Angebot das die individuelle Gesundheitskompetenz von sozial benachteiligten Jugendlichen fördert
  • Gesundheitserziehung und Prävention in Form von Workshops und Seminaren
  • Psychologische Diagnostik und Vermittlung zu einer:m: passenden Therapeut:in

„Das Vermitteln von Gesundheitskompetenz und die Prävention muss dort stattfinden, wo Menschen leben, lernen und arbeiten: im Kindergarten, in der Schule oder am Arbeitsplatz“, sagt Dr. Eva Höltl. „In diesem Zusammenhang braucht es Standards für Gesundheitskompetenz, gute Evidenz für die jeweiligen Maßnahmen und klar definierte Zielgruppen, um notwendige und richtige Information für die richtige Zielgruppe zur Verfügung zu stellen. Um der unglaublichen Zersplitterung diverser präventiver Ansätze entgegen zu wirken, braucht es eine nationale Präventionsstrategie, die transparent regelt, wer wo welche Aufgaben übernimmt – und wie diese finanziert werden.“

Mehr Gesundheitskompetenz: Forderungen an die nächste Bundesregierung:

Nationale Präventionsstrategie: In Deutschland gibt es ein Präventionsgesetz. Nach diesem Vorbild soll in Österreich eine nationale Präventionsstrategie erarbeitet werden, die klar und transparent regelt, wer wo welche Präventionsaufgaben übernimmt und wie diese finanziert werden soll. Diese Strategie soll auch Standards beinhalten, welches Wissen ein:e 15-Jährige:r in Bezug auf Gesundheitskompetenz haben soll. Die nationale Strategie soll auch die zersplitterten Präventionskompetenzen zusammenführen.

Vorhandene Strukturen effizient einsetzen: Gesundheitskompetenz soll bereits in Kindergärten und Schulen durch gut geschultes Personal gestärkt werden. Dafür sollen etwa Schulärzt:innen in den Unterricht einbezogen werden oder die rund 5.000 Jugendvertrauens-Rät:innen geschult werden, damit sie den mehr als 100.000 Lehrlingen in den Betrieben die Wichtigkeit von ausreichend Schlaf, gesunder Ernährung oder den richtigen Umgang mit Social Media vermitteln können.

Finanzielle Unterstützung von Vereinen wie T.I.W.: Mehr und gesicherte Förderungen für Vereine und Organisationen, die frühzeitig, niederschwellig, zielgruppengerecht und kostenlos die Gesundheitskompetenz von Jugendlichen stärken.

Über den Verein T.I.W.
Der Wiener Verein T.I.W. – Verein für Training, Integration & Weiterbildung – wurde 2004 gegründet und unterstützt seither benachteiligte Jugendliche beim Einstieg ins Erwachsenenleben. Derzeit geben 61 Mitarbeiter:innen den Jugendlichen Perspektiven und unterstützen sie auf der Suche nach Arbeitsplätzen, Lehrstellen oder integrativen Lehrstellen. Im Jahr 2023 wurden knapp 2.500 Jugendliche in den verschiedenen Programmen des Vereins betreut und berufsfit gemacht. https://www.verein-tiw.at/

In aller Kürze: T.I.W. Gesundheitszentrum
Das Gesundheitszentrum bietet kostenlose Untersuchungen, Gesundheitschecks und Beratungen, aber auch Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitserziehung, Prävention und Information. Zielgruppenerfahrene Expert:innen vor Ort unterstützen Jugendliche im Umgang mit ihrer psychischen und physischen Gesundheit. Die pädagogische Abteilung des Zentrums befasst sich mit dem Thema Gesundheitserziehung und -prävention und setzt zielgruppenadäquate Seminare und Informationsmaterialien um.
Mehr als 200 Veranstaltungen haben bislang stattgefunden. Insgesamt wurden mehr als 6.000 Menschen durch medizinische und psychologische Behandlungen und Beratungen betreut. Und rund 2.100 Personen konnten dank der Informations- und Gesundheitsmaßnahmen ihre Beschäftigungsfähigkeit verbessern.